1897 -
Leipzig [u.a.]
: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Großbritannien. <\7
Die Gunst seiner geographischen Lage im Mittelpunkte der Landhalbkugel und am Rande
eines reichen Ackerbaulandes, die durch die Flut begünstigte Zugänglichkeit der Themsemündung
sür die größten Seeschiffe und die hohe wirtschaftliche Blüte der Gegengestade machen im Vereine
mit der Tüchtigkeit der Bevölkerung den unvergleichlichen Aufschwung Londons begreiflich.
Wir verlassen die Weltstadt und ihr betäubendes Getriebe und durchschreiten themseaus-
wärts das flachhügelige, fruchtbare Tertiärbecken Londons mit seinen reizenden Parkland-
schaften, aus deren Mitte stolze Herrenhäuser, die Sitze der altenglischen Aristokratie, hervor-
schauen. Überall trifft der Blick auf Äcker und Wiesen, von lebendigen Decken zierlich umzogen
und von wohlgepflegten Rieswegen durchschnitten. Unvergleichlich schöne Nasen und prächtige,
in Gruppen verteilte Bäume, vornehmlich Eichen und Buchen, sind die-Hauptzierde der englischen
parke, und die schönsten Pferde und Rinder bilden die lebendige Staffage dieser reizvollen
Naturszenen. Der Zvald fehlt, er ist der Industrie und den: Schiffbau zum Opfer gefallen.
Der Engländer wohnt weit lieber auf dem Lande als in der Stadt, ja man trifft namentlich
im Süden selbst Dörfer seltener, und auch diese sind meist klein. Dasür ist das ganze Land über-
säet mit reizenden Einzelwohnungen, Edelsitzen und Schlössern. Von den Küstenorten abgesehen,
gibt es daher im südlichen Teile Englands, in dem die Landwirtschaft, aber nicht als Kornbau,
sondern als Pferde- und Rinderzucht vorwiegt, eigentliche Großstädte nicht. Am bedeutendsten
ist hier Tanterbury im Osten (22,000 Einwohner, S. J63), der geistliche Mittelpunkt des
Reiches. Der Erzbischof von Tanterbury, Primas des Reiches und erster pair von England,
residiert jedoch in London.
Bei Reading durchbricht die Themse die Kreideplatte, die von der Normandie herüber-
zieht, bei Dover (S. J63) in schroffen Klippen zum Kanal abbricht und erst am lvashbusen
endigt. Annähernd parallel damit verläuft der breite Rücken des englischen Iura von
der Südküste bis zur Mündung des Humber. Ähnlich wie der schwäbische Iura fällt auch der
englische steil nach Nordwesten ab und wird im Süden vom Avon, einem Nebenflusse des
Severn, im Norden vom Humber, teilweise auch von der Themse durchbrochen. Zwischen ihm
und den westlichen Randgebirgen breitet sich das niedrige, flachwellige Buntsandstein- und
Reuperland Englands aus, in das die langgezogenen Thäler des Severn, Trent und Ouse
eingesenkt find. Der Iura ist eine bedeutsame wirtschaftliche Scheidelinie in England, indem er
das Landwirtschaft treibende Altengland, den Sitz des hohen Adels und der hohen Geistlichkeit,
vom industriellen England der Neuzeit mit seinen fast unerschöpflichen Kohlen- und Eisen-
vorräten, seinen zahlreichen, dichtgedrängten Fabrikstädten, seinem verwirrenden Netz von
Eisenbahnen und Kanälen und seiner riesenhaften Produktion von Baumwoll-, Ivoll- und
Eisenwaren trennt. !Vie im Süden Englands der politische, so liegt im Norden der wirt-
schastliche Schwerpunkt des Landes, und wie dort London emporgewachsen, so mußten hier
die beiden größten Hasenstädte Liverpool (520,000 Einwohner, S. J6^) und Glasgow
(658,000 Einwohner), die dem wichtigsten Ursprungslande der Rohbaumwolle, den Ver-
einigten Staaten Nordamerikas, am nächsten liegen, erstehen.
Im Niesten und Norden wird das eben durchwanderte englische Becken von alten,
abgetragenen Faltengebirgen umschlossen, deren südlichste Glieder, die Bergländer von Torn-
wall, Wales und Irland, die Fortsetzung des Gebirges der Bretagne bilden. Überall walten
sanfte, vermittelte Formen vor; ausgesprochene Kammbildung sehlt; gerundete Berggruppen
mit breitgewölbten Gipfeln wechseln mit breiten und tiefen Thalsenken. Wälder fehlen fast
gänzlich, kümmerliche Heiden und Moore decken das Hochland. Trotzdem ermangeln die eng-
lischen Gebirgsgegenden, die im Snowdon (S. J[(5^) die Höhe des Fichtelgebirges erreichen,
keineswegs der landschaftlichen Reize; namentlich zeichnen sie sich neben mannigfachen Thal-
fzenerien durch einen Reichtum an Seen aus, unter denen die von Tumberland im sogenannten
Seendistrikt und die von Killarne^ (S. J65 u. J66) in Irland besonders gepriesen werden.
Sie sind zum Teil Überbleibsel der Eiszeit.
Auch die schottischen Gebirge (S. J67) teilen diese Eigentümlichkeiten, sind aber bei
der Armut des Bodens und der Unwirtlichkeit des Klimas noch schwächer besiedelt, ja teilweise
unbewohnbar. Daher hat stch die Bevölkerung mehr an den fischreichen Meeresküsten gesammelt,
und hier entstanden, der skandinavischen Küste gegenüber, Aberdeen Q 25,000 Einwohner),
Dundee (^o^,000 Einwohner) und vor allem Edinburg (S. J66) mit dem Vorhafen Leith
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Leipzig [u.a.]
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558
Nordamerika, V.
Die Staaten und Kolonien.
nahm es aber erst seit Eröffnung des Eriekanals (1825). Heute zählt es 1,600,000 Ein-
wohner, und seine Schiffahrtsbewegung, 12,5 Mill. Tonnen, 40 Prozent von der gesamten
Schiffahrtsbewegung der Union, kommt derjenigen von London nahe; ebenso umfaßt seine
Ausfuhr dem Werte nach (1891: 346,5 Mill. Dollars) 39,2 Prozent von der Gesamtausfuhr,
und die Einfuhr (1891: 537,8 Mill, Dollars) sogar 63,? Proz. von der Gesamteinfuhr. Nicht
weniger als 40 regelmäßige Dampferlinien münden in den Hafen ein. Dem entsprechend
sind auch die Verkehrseinrichtungen in der Stadt wie zwischen ihr und den Vorstädten
sehr großartig: die riesenhafte, 1,8 km lange und 41 m über Dem Hochwasferstaud er-
Elfstöckige Gebäude in New ?)ork. snach Photographie.)
habeue East River-Brücke, der im Bau begriffene Hudson-Tunuel, die Straßenhochbahn
(f. Abbildung, S. 559), mehr als 20 gewaltige Fähren über den Hudson und East River,
mehr als 130 Landungshallen, das große Hauptpostamt (s. Abbildung, S. 560), die Central-
station des Western Union-Telegraphen?c. Den Geldverkehr vermitteln 120 Banken, das
Warengeschäft eine große Produktenbörse, eine Petroleumbörse, eiue Baumwollbörse, eiue
Kaffeebörse 2c. Den Reichtum und die sonstige Kulturbedeutuug der Stadt bekunden
zahllose stolze Gebäude und öffentliche Institute, wie die prächtige römisch-katholische Käthe-
drale, das große Columbia-College, das Metropolitau Museum, die Astor-Bibliothek 2c.
Brooklyn (806,000 Einw.) nebst Long Island City (31,000 Einw.), das jenseits
des East River auf der Insel Long Island liegt, ist feinem Wesen nach nur eine riefen-
hafte Wohn- und Geschäftsvorstadt von New York sowie durch den schöuen Greenwood
Cemetery zugleich auch die Hauptkirchhossvorstadt. Auch die kleineren Orte auf der Insel
Staten Island, wie Middletown, Castleton, New Brighton, und in gewisser Weise auch
Probeseite aus Sievers' „Amerika".
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436
Viii. Die Staaten und Kolonien.
Finschhafen (f. untenstehende Abbildung) wurde als erste Niederlassung der Gesellschaft im
November 1885 begründet und diente als Sitz der Verwaltung bis zun: März 1891. Sie lag
gegenüber der Halbinsel Nngidn ans dem Gebiet von Salangkana, an der gegen Neupommern
vorspringenden Halbinsel, und hatte sich bereits 1888 sehr vorteilhaft entwickelt. „Ein solches
Bild der Ordnung, der Sauberkeit, des fleißigen und erfolgreichen Schaffens hatte ich", bemerkt
H. Zöller ^Deutsch-Neuguiuea'), „nach den in Australien gehörten Schilderungen nicht erwartet.
Im Hafen herrschte reges Leben. Eine große Anzahl in frischem Weiß angestrichener, von braunen
Miokefen geruderter Boote verkehrten zwischen den drei Dampfern Isabel', ,Ottilie' und ,Samoa',
den zwei sehr viel größeren Segelschiffen Mmeralda' und ,Florence Danvers' sowie der Hnlk
,Normet', welche durch eine eiserne, ein Schienengeleise tragende Brücke mit dem Festlands in
Die Station Finschhafen in Deutsch-Neugninea. (Nach Photographie.)
Verbindung gesetzt wurde. Und wie erst freute ich mich, als ich das Land betrat, als ich das
kleine, die Gebäude der Zentralstation Finschhafen tragende, durch einen Damm aus Koralleu-
blöcken mit dem Festlande in Verbindung stehende Jnselchen Madang, als ich die reizende, einem
wohlgepflegten Garten gleichende Halbinsel Salangkana, wo sich das stattliche Haus der höchsten
Beamten und die Geschäftsräume der Landesverwaltnng befinden, durchwanderte, als ich zu den
inmitten vou Gärteu und Pflanzungen liegenden, in ihrer Gesamtheit ein kleines Städtchen dar-
stellenden Privatwohnungen südlich von Salangkana, als ich zum Hospital, deu Arbeiterhäusern,
dem großen Viehpark itnb der selbst zu kleinen Schiffsausbesserungen benutzbaren Reparatur-
werkstätte hinauspilgerte. Welcher Gegensatz zu der greulichen Unordnung am Kongo, welcher
Gegensatz zu den neu eutstaudeueu Ortschaften im Norden Australiens." Eine bei ungewöhnlich
tiefem Wasserstand ausgebrochene Malaria-Epidemie, der der Generaldirektor, der Arzt und
neun Augestellte zum Opfer fielen, machte im März 1891 der Ansiedelung ein Ende, die Zentral-
Verwaltung wurde provisorisch uach Stephansort, dann nach Friedrich - Wilhelms - Hafen über-
tragen und auch die im April 1887 begründete Pflanzungskolonie Butamng eingezogen.
Noch iu demselben Jahre erlitt dasselbe Schicksal Hatzfeldt-Hafen. Diese Ansiedelung
war bereits im Dezember 1885 au der Küste halbwegs zwischen Kap Eroisilles und dem Kaiserin-
Probeseite ans Sievers' „Australien".
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—-—r-r-— " "" -• •- ■• -.
Altgemeine Länderkunde — Jünfier feit
Australien und Ozeanien
von
Prof. Dr. Withetm Sievers.
Mit 137 Abbildungen im Text, 12 Karten und 20 Tafeln in Holzschnitt und Farbendruck.
14 Lieferungen zu je 1 Mark oder in Halbleder gebunden 16 Mark.
Verzeichnis der Deitagen.
Tafeln in Farbendruck.
1. Der Tasman-Gletscher und Hochstetter-Dom in
Neuseeland.
2. Der Kilauea-Vulkcm auf Hawaii.
3. Eukalyptuswald undgrasbäumeinwestaustralien.
4. Tierleben im Urwald von Nordaustralien.
5. Das Dorf Siar in Nordost-Neuguinea.
6. Die Bai von Sydney, Neusüdwales.
7. Die deutsche Station Jaluit im Marshall-Archipel.
8. Eisberge im Südpolargebiet.
Tafeln in Holzschnitt.
1. I. R. Forster.
2. Die Blauen Berge in Neusüdwales, Australien.
3. Nukualofa auf Tongatabu.
4. Die Insel Huahine im Tahiti-Archipel.
5. Der Mouut Cook in Neuseeland.
6. Ein Farnwald in Victoria, Australien.
7. Riesenschildkröten der Südsee.
8. Ein Pfahldorf in Südost-Neuguinea.
9. Ein Hüttenplatz auf Korror im Patau-Archipel.
10. Polynesische Kunsterzeugnisse.
11. Die Küste von ?lpia auf Samoa.
12. Melbourne in Victoria, Australien.
Kartenbeilagen.
1.
Entwickelung des Kartenbildes von Australien
und Ozeauieu.
2. Karte der Entdeckungsreisen in Australien.
3. Karte der Entdeckungsreisen in Ozeanien.
4. Geologische Karte von Australien und Ozeanien.
5. Karte der Fluß-u. Gebirgssysteme von Australien.
6. Karte der Isothermen und Isobaren von Austra-
lien und Ozeanien.
7. Florenkarte von Australien und Ozeanien.
8. Karte der Verbreitung der Tiere in Australien
und Ozeanien.
9. Völkerkarte von Ozeanien und Australasien.
10. Politische Übersichtskarte von Australien und
Ozeanien.
11. Karte des deutschen Schutzgebietes in der Südsee.
12. Verkehrskarte von Australien und Ozeauieu.
Schlesische Zeitung, Breslau. „. . . Ein Buch
über den fünften Erdteil, wie wir es bisher noch nicht
besaßen. Auch in diesem Bande bewundern wir die
geschickte Stoffverteilung, die uns ohne Ermüdung
durch die große Fülle des zu bewältigenden Materials
führt, die klare, anziehende Art der Darstellung, die
das Werk zu einem Lesebuche in des Wortes bester Be-,
deutung macht, endlich den überaus reichen illustra-
tiven Schmuck, vor allem die prächtigen Farbendruck-
tafeln, die uns die charakteristischen Elemente der
Landeskunde von Australien und der Inselwelt des
Stillen Ozeans veranschaulichen."
Tägliche Rundschau, Berlin. „Sievers',Austra-
lien' bildet den stolzen Abschluß eines Werkes, für
das man dem Verfasser sowie der Verlagshandlung,
die keine Opfer für glänzende Ausstattung und
fesselnde Abbildungen gescheut hat, warmen Dank
zollen muß."
Schwäbischer Merkur, Stuttgart. „Ein glän-
zendes Werk, das, mit erstaunlichem Aufwand von
Wissen und Arbeitskraft ausgeführt, aufs reichste
illustriert und mit Karten ausgestattet, unsre heutige
Kenntnis von der Erdbeschreibung Australiens in ein-
heitlicher übersichtlicher Form zusammenfaßt und zur
Anschauung bringt."
„Die beste und eingehendste Gesamtschilderung
Australiens nebst den Südsee-Inseln in deutscher
Sprache." Prof. Or. A. Kirchhoff.
Leipziger Zeitung. „Welch großartige Naturschön-
heiten auch der jüngste unter den Erdteilen nament-
lich ans seinen Inseln aufzuweisen hat, zeigen die
zahlreichen vortrefflichen Abbildungen. Namhafte
Künstler haben zu dem Bilderschmucke dieses Baudes
entzückende Beiträge geliefert. Die textliche Darstellung
ist allenthalben leicht verständlich und ansprechend, die
Ausstattung aber über jedes Lob erhaben."
Whiiil
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Xii. Großbritannien.
zu. An seinen Ufern liegt Sparta (S. ^60) zwischen Grangen- und Zitronenhainen, Maul-
beerbäumen und Platanen, im Westen begrenzt von den senkrechten Wänden des Taygetus-
gebirges (s. Abbildung).'
Drei große Golse greisen von Süden her in den Peloponnes ein und erschließen das Land
dem Verkehr. Ganz wesentlich begünstigt wird der Seeverkehr Griechenlands aber noch durch
die Menge größerer und kleinerer Eilande, die gewissermaßen eine natürliche Brücke zwischen
Europa und Asien bilden. Die bedeutendste Insel ist Kreta (5. J6jq mit seinen unzugäng-
lichen Felsenhöhen, in denen das dinarische Gebirgssystem nach Asien hinüberzieht; vulkanischen
Ursprunges ist Santorin (5. Jöjq.
Xii. Großbritannien.
3m Zeilalter der großen Entdeckungen, als spanische Tonquistadoren die Unterwerfung
zweier Erdteile unternahmen und spanische Fahrzeuge die Meere beherrschten, nannte man Spa-
nien „das Nuder Europas". N)ie hat sich dies seither geändert! Die spanische Flotte ist nur
noch ein schwacher Abglanz ihrer einstigen Größe, die meisten und wichtigsten Kolonien haben sich
srei gemacht von dem selbstsüchtigen Ausbeutungssystem des Mutterlandes, die übrigen ringen
zur Zeit in einem Verzweiflungskampfe um ihre wirtschaftliche und politische Freiheit, andere
Seemächte sind emporgekommen. Wer heute das Ruder Europas, ja der Welt führt, das
erkennt man am deutlichsten auf einer Fahrt von der Themsemündung landeinwärts, der Haupt-
stadt Englands entgegen.
Überaus anmutig ist der Ausblick aus das blühende Land, das sich an beiden Ufern des
mächtigen Stromes hindehnt. Auf den smaragdgrünen, samtartig glänzenden Wiesen weiden
schöne Rinder, freundliche Ortschaften grüßen herüber. Aus der Themse aber wimmelt es von
Fahrzeugen aller Art, die teils nach London gehen, teils dem offenen Ozean zustreben, teils
den Verkehr der beiden Flußufer vermitteln. Wir kommen an Woolwich vorbei, wo die großen
Kanonengießereien und Vorratshäuser sür die englische Flotte sind, dann an Greenwich mit
seiner berühmten Sternwarte. Die Wiesen und Haine an den Usern werden jetzt seltener und
kleiner, dagegen die Däuser, Villen und Magazine häusiger; noch eine Biegung des Stromes,
und vor uns liegt das unermeßliche London, dessen Einwohnerzahl der des Königreichs
Bayern gleichkommt. Endlos, meilenweit, sinn- und blickverwirrend, dehnt sich Haus an Haus,
Straße an Straße, und über dem Gewimmel der gleichförmigen Dächer erheben sich die
mannigfachen Monumentalbauten der Stadt. Wir sind im Eastend, der eigentlichen Laasen-
stadt Londons. Fast in einer Länge von zwei Stunden ziehen sich die Docks hin, jene großen
künstlichen Wasserbecken, die von fünf- bis siebenstöckigen Warenhäusern eingeschlossen sind.
Das Eastend ist zugleich das größte Arbeiterviertel Londons.
Das User des Flusses weiter verfolgend, erreichen wir am Tower, dem alten Staatsge-
fängnisse, die City, den ältesten Teil der Stadt und den Hauptsitz ihres kaufmännischen Lebens.
Hier überspannt die London-Bridge mit ihrem sabelhasten Verkehr den Fluß, hier liegen die
Bank von England, das erste Kreditinstitut der Welt, das Hauptpostamt, das täglich über
eine Million Postsendungen befördert, die Börse und zahllose Geschästslokale, Banken, Ver-
sicherungsanstalten und dergleichen. Ein brausender Menschenstrom ergießt stch jeden Morgen
von den äußeren Stadtteilen gegen die Tity, die fast nur aus Geschäftsräumen besteht, und bis
in die Nachmittagsstunden geht die Bewegung des städtischen Lebens dorthin. Von 3 Uhr ab
beginnt der Rückstrom nach dem Westen, und gegen Abend wird die Tity leer. Aus dem Ge-
räusche des Welthandels flüchtet sich der Kaufmann nach dem stilleren Westend, dem Stadtteil
der „oberen Zehntausend". Große Parkanlagen dehnen sich hier aus, Alleen umsäumen die
Straßen, Paläste, Klubhäuser und Theater zeugen von dem Reichtums seiner Bewohner. Hart
an der Themse erhebt sich das stolze Parlamentsgebäude (S. \ 62), der stchtbare Ausdruck der
Macht, den die Volksvertretung in England und nicht bloß dort allein ausübt, und dahinter ragen
die Türme der Westminsterabtei (s. Abbildung) auf mit den Gräbern der englischen Könige,
Staatsmänner, Feldherren, Dichter und Denker. Im Buckingham- Palast wohnt die Königin.
1901 -
Leipzig [u.a.]
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- Autor: Geistbeck, Alois
- Auflagennummer (WdK): 2
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Grönland. Mexiko und die westindischen Inseln. 6^
einheimischen Produkte, bestehend in Nobbenspeck, Seehundsfellen, Walfischbarten, Stockfischen,
Thran, Liderdaunen, Pelzwerk, abzuholen. Im Jahre 5895 hatten Ein- und Ausfuhr einen
Wert von ca. 300,000 Kronen. Das Innere Grönlands ist, wie Nansen durch seine Wande-
rung quer durch die Insel im Jahre J[888 nachgewiesen hat, ein Skandinavien ähnliches L?och-
land, das eine gegen die Mitte fast völlig ebene sogenannte Inlandeismasse überdeckt. Die
Rüste aber ist durch Fjorde reich gegliedert, in denen mächtige Gletscher ins Meer hinaustreten.
9. Mexiko und die westindischen Inseln.
Wie an seinem Nordsaume, so löst sich Nordamerika auch an seinem Südrande in ein
Stückwerk von Halbinseln und Inseln auf, die als mehr oder minder zusammenhängende
Landrücken die beiden Halbkontinente verbinden. Vielfache Einbrüche haben den ursprüng-
lichen Zusammenhang dieser Ländergebiete gelockert, aber aus dem verlauf der Inselzüge
und aus ihrem Aufbau läßt sich der frühere Zustand wohl noch erkennen. Die Bahama-
inseln, durchweg ganz flache Korallenbauten, schließen sich an das ebenso flache Florida an,
an dessen Bildung Korallen gleichfalls Anteil haben. Auf einem dieser niedrigen Eilande, das
die Eingebornen Guanahani nannten, von den Spaniern aber San Salvador getauft wurde
und später auch Watlingsinsel hieß, landete Tolumbus am \2. Oktober \t\ty2 in der Meinung,
Indien erreicht zu haben; daher die Namen Westindien und Indianer. An die Gebirgszüge
von Honduras schließen sich die gebirgigen Großen Antillen an, Tuba, Haiti (S. \94),
portorico und Iamaica. Line große Zahl der Kleinen Antillen, wie St. Vincent, Mar-
tinique, Guadeloupe, Iles des Saintes u. a., sind vulkanischen Ursprungs und besitzen
die Kegelformen echter Vulkane; einzelne unter ihnen sind sogar noch thätig. Die Gunst
des Klimas (sie liegen in der Tropenzone und sind reich bewässert) reift hier eine ähnliche
Fülle der Produkte wie im Malaiischen Archipel, mit dem das Gebiet ja mancherlei Ähn-
lichkeit aufweist. Havana-Zigarren und Iamaica-Num, der aus Zuckerrohr gewonnen wird,
haben Weltruhm. Doch während sich auf den Sundainseln die Urbevölkerung erhalten hat, ist
sie hier im Kampfe mit den Europäern gänzlich ausgerottet worden, die heutigen Bewohner
sind teils Neger, die auf Haiti eine selbständige Republik bilden, teils Mulatten, Mischlinge aus
Europäern und Negern, teils Weiße. Tuba, die perle der Antillen, und portorico sind spa-
nische Kolonien. Ersteres kämpft bekanntlich seit langer Zeit einen Verzweiflungskampf um
seine Befreiung von dem Drucke seines Mutterlandes , Iamaica (S. gehört den Briten,
Thomas (S. J95) den Dänen.
von den westindischen Inseln her wird die flache, ungegliederte und unfruchtbare Dünen-
küste von Mexiko bei Veracruz (S. J90) erreicht. Die Stadt, deren Umgebung eine ein-
förmige Sandwüste bildet, zählt nur 2^,000 Einwohner, wiewohl sich in ihrem Hafen etwa
die Hälfte des gesamten mexikanischen Ausfuhrhandels abwickelt. Die Ursache davon liegt in
der schlechten Beschaffenheit der Flachküste, in der schweren Zugänglichkeit des Binnenlandes,
in der Unfruchtbarkeit der Umgebung und in dem erschlaffenden und ungesunden Tropenklima.
Die mächtigen Kuppeln vieler Kirchen und Klöster, die steinernen, meist einstöckigen Gebäude
mit ihren flachen Dächern, die geraden, gepflasterten Straßen, der Hauptplatz, ein Garten voll
exotischer Gewächse mit schlanken Palmen, blühenden Sträuchern und duftenden Blumen —
dies alles charakterisiert Veracruz wie auch die übrigen mexikanischen Städte als Abbilder der
St. kastilischen Siedelungsweise.
Enge, schluchtenartige Thäler, die Barramas, führen aus dem etwa 25 km breiten Küsten-
tieflande zur Hochebene hinauf. In diesen steilwandigen Einrissen wuchert tropischer Urwald,
aus dessen ungeheurer Artensülle nur das Brasil- und Kampescheholz, der Mahagonibaum,
die Zeder, der Kautschukbaum, die Banane, die Ananas und Vanille genannt seien. Bei der
Höhe des Plateaus hat die Bahn von Veracruz nach Mexiko ganz außerordentliche Steigungen
zu überwinden, denn die Hauptstadt des Landes liegt 22^0 m über dem Spiegel des Golfes.
Das mexikanische Tafelland samt seiner Standhöhe ist, wie ein Blick auf die Karte lehrt,
die Fortsetzung der westlichen nordamerikanischen Hochfläche, mit denen sie streckenweise die
Niederschlagsarmut und Abflußlosigkeit teilt. Doch beherrschen die vulkanischen Aufschüttungs-
1901 -
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^2 Afrika.
7>as Gebiet des atlantischen Abfalls, Scrteqambieit, die Sierra Leoneküste mit der
gleichnamigen britischen Kolonie (Hauptstadt Freetown, 30,000 Einwohner, S. ^3), endlich
Gbergninea sind trotz der schweren Zugänglichkeit der flachen, öden und sandigen Rüste infolge
der furchtbaren Brandung (Talema, S. ^3) schon seit ein paar Jahrhunderten von Franzosen,
Engländern und Portugiesen kolonisiert worden, zu denen sich seit ^88^ auch die Deutschen
gesellten. Mit großer Energie haben hier die Franzosen ihren Besitz in den letzten Iahren ver-
größert, freilich zumeist in Steppen- und Wüstengebieten, während die Engländer die frucht-
barsten Teile des Sudan innehaben. Das britische Lagos (S. \^) ist der wichtigste Handels-
platz an der ganzen Küste und Hauptstapelplatz sür palmöl. Dieses sowie die hauptsächlich in
Senegambien angebaute Erdnuß, die gleichfalls Gl liefert, vorzüglich zur Bereitung von
Seifen, Stearinkerzen :c., bilden die Hauptaussuhrgegenstände. Daneben kommen in Betracht
Gold, Elfenbein und Kautschuk. Togoland an der sandigen, durch lange Nehrungen und
heftige Brandungen schwer zugänglichen Sklavenküste ist das kleinste der deutschen Schutz-
gebiete; dennoch ist der Jahresumsatz der Handelsplätze Lome, Bagida und Klein-j)opo nicht
unbeträchtlich, er beläuft sich für Lome allein auf nahezu J Million Mark.
Ungleich wichtiger ist die südlich von der Nigermündung im innersten Winkel des Golfes von
Guinea gelegene Koloniekamerun mit dem vulkanischen Kamerungebirge, dem weithinschauen-
den Wahrzeichen des Landes (3960 m). „Aus der Niederung graugrüner Mangrovedickichte",
so schildert Hans Buchner die Rüstenlandschaft, ,,taucht das feste Land empor mit einem \0 m
hohen, roten Steilrand. Damit beginnen zugleich die Dualladörfer, um etwa auf Jo km Länge
nicht mehr aufzuhören. In ununterbrochener Reihe und nur abgegrenzt durch kaum bemerk-
bare Decken, folgen einander Bellstadt, Akwastadt, Didostadt und wie sie alle heißen die vielen
Städte der großen und kleinen Häuptlinge, bis schließlich hinter einem größeren Zwischenraum
sreier Wildnis das Land der Wuri beginnt. Dabei handelt es sich aber nicht um geschlossene,
enggebaute Grte, sondern mehr um Haine von Gl- und Kokospalmen mit Anpflanzungen aller
Art, in welche die Kütten der Duallaneger anmutig eingestreut sind." Wiewohl der Boden
von Kamerun überaus fruchtbar ist und mit Erfolg Kakao, Kaffee und Tabak gebaut werden
kann, ist Kamerun vorerst noch durchweg Handelskolonie, von der in erster Linie Gummi,
dann Elfenbein, Palmöl und palmkerne ausgeführt werden. Das Klima ist der reichen Nie-
derschläge wegen ungesund. Der Mittelpunkt des Handels ist Kamerun am gleichnamigen
Flusse, wo auch der deutsche Gouverneur seinen Sitz hat und zahlreiche Faktorien sich befinden.
Am Fuße des Kamerungebirges liegt die Missionsstation Viktoria (S. ^), in deren Umgebung
die ersten Plantagen angelegt sind.
5. Daf Kongogeüiet und die Wüste von Oiederguinea.
Südwärts vom Sudan erhebt sich nahezu die gesamte piateaumaffe des Erdteils rasch
zur doppelten, ja fast dreifachen Höhe Nordasrikas, zu dem J000—^00 m über den: Meeres-
niveau liegenden Hochasrika. In dieses ungeheure, großenteils aus alten Gesteinen (Gneis
und kristallinischen Schiefern) zusammengesetzte Tafelland ist das große Becken des Kongo
eingesenkt, dessen Höhe durchschnittlich auf etwa ^00 m anzunehmen ist. Der Boden dieser
weiten Mulde senkt sich gegen Norden und Westen, und so wälzt der Nieseustrom seine gesamte
Wassermasse zuerst nordwärts, an Nsangwe (S. vorüber, dem Hauptsitze des arabischen
Einflusses in Zentralasrika, um dann in der Breite des Äquators durch die sogenannte nord-
äquatoriale Wasserscheide anfänglich gegen Westen, dann sogar gegen Südwesten abgedrängt
zu werden. Wo der Strom und seine nördlichen wie südlichen Zuflüsse vom Hochrande zur
Beckensenke herabsteigen, entstehen gewaltige Fälle, eine den afrikanischen Flüssen überhaupt
zukommende Eigentümlichkeit, die im Stufenbau des Tafellandes begründet ist. Sie stören
den Schiffsverkehr ungemein und waren jahrhundertelang ein Haupthindernis der Er-
schließung Innerafrikas. Unterhalb der Stanley-Fälle unter dem Äquator, wo der Fluß in sie-
den Katarakten von ^75 m auf ^30 m fällt, wächst seine Breite riesenhasr (von 730 m auf
^000 m), und als ein langsam fließender, inselreicher Strom durchzieht er nun tropische Ur-
waldgebiete, die größten, die man in Afrika kennt. Aus dieser 900 Meilen langen Strecke, deren
1901 -
Leipzig [u.a.]
: Bibliogr. Inst.
- Autor: Geistbeck, Alois
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Atlas
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das australische Festland. 69
Der Osten Australiens wird von einer gefalteten Gebirgskette durchzogen, der australi-
scheu Kordillere, die unter verschiedenen Namen in meridionaler Richtung hinzieht und im
Süden, in den Australischen Alpen, sich zu den größten Höhen (2200 m) erhebt. Sie er-
scheint gewissermaßen als das kleinere Gegenstück der amerikanischen Rordillere und fällt wie
diese steil zum Stillen Ozean, flach nach dem Festlande ab. Im Hinterlands von Sydney ragen
die Blauen Berge auf (S. 2^), ein von Flüssen durchfurchtes Plateau, das kaum J200 m
Höhe erreicht. 3hr Steilrand weist schroffe, stark zerrissene Klippenwände auf, ihre Hochflächen,
durchaus von Tafellandcharakter, sind bewaldet, doch meist unfruchtbar. Dieses Gebirge
wurde J85j, also drei Jahre nach der Entdeckung der Goldfelder Kaliforniens, zu einem neuen
Eldorado; wie dort San Francisco, so kam hier wie durch einen Zauberschlag die Goldstadt
Melbourne in Victoria, dem reichsten Golddistrikte, empor. Vor ^85} ein unbedeutender
Ort von 28,000 Seelen, stieg seine Einwohnerzahl in <5 fahren auf J 00,000, die der Provinz
Victoria von 77,000 auf 410,000. Heute zählt die Stadt nahezu 1h Million. Die Größe der
ersten Funde grenzte ans Märchenhafte, man förderte (Zzuarzklumpen zu Tage mit J Zentner
Goldgehalt, Victoria allein lieferte seit Beginn der Goldwäscherei 323 Millionen, die jugend^
liche Kolonie (Queensland 2$ Millionen Pfund Sterling, im ganzen wurde bis Ende J887 in
ganz Australien Gold im Betrage von 7 Milliarden Mark erbeutet.
Die Goldära ist nun im Süden Australiens wie in Kalifornien vorbei, nur wenige Berg-
werke blühen noch. In N) e st australien dagegen find neue reiche Goldlager eröffnet worden.
Im Süden des Kontinents hofft man einen Ersatz für das Gold in den in (Queensland und
Neusüdwales entdeckten Silberlagern zu finden, die denen der Sierra Nevada in Nord-
amerika kaum nachstehen, so daß Neusüdwales in Bälde eine der ersten Stellen unter den silber-
produzierenden Ländern der Erde einnehmen wird. Derselben Kolonie gehören auch die aus-
gedehntesten Kohlenlager des Erdteils an, ihre Erzeugnisse gehen bereits nach Japan, Thina,
Chile und Kalifornien.
Neben Melbourne, dem Hauptorte von Victoria, und Sydney in Neusüdwales
(383,000 Einwohner), mit dem Sitze des Gouverneurs, des Parlaments, der Ministerien und
zahlreicher Bildungsanstalten, ist an der pazifischen Küste noch Brisbane (S. 21(5), die Haupt-
stadt von Queensland, zu erwähnen mit 93,000 Einwohnern. Im Jahre \82<{ als Verbrecher-
kolonie gegründet, ist sie jetzt der wichtigste Hafen der Kolonie.
Schon zu Ende der fünfziger Jahre hatte sich im Süden und Osten das Goldfieber gelegt.
Der Farmer blieb fortan bei seinem Acker und fand, daß er bei den herrschenden Löhnen und
preisen mit seiner Arbeit auf die Dauer mehr verdiente als der Goldgräber, der nach langen
Entbehrungen endlich eine reiche Ausbeute machte, die aber nicht selten in sinnlosen Schein-
genüssen ebenso rasch wieder dahinging. Heute erscheinen diezverte der Goldgewinnung Austra-
liens verschwindend klein im Vergleiche mit den Produkten der Landwirtschaft. Im Berglande
wie in den besseren Teilen des angrenzenden australischen Tieflandes, das teils von den
öden, mit Salzbusch bedeckten Ebenen um den Eyre- und Torrenssee, teils von den weithin
ebenso gearteten Landschaften des Murray-Darling-Stromgebiets (S.2!( 6), teils endlich von den
abflußlosen Strecken (Queenslands eingenommen wird, hat die Viehzucht, namentlich die Sch'af-
zucht (S. 2\6)t geradezu riesenhafte Dimensionen angenommen. Ein Squatter (H erden befitzer)
hat nicht selten 200,000 Schafe auf seiner Farm, und die Viehstationen zählen oft J 5,000 Stück
Rindvieh. Dermalen zählt der Erdteil mit Tasmanien und Neuseeland rund 1(00 Millionen
Schafe, und die Zvollproduktion beträgt pro Jahr 230 Millionen kg, d. h. ein Viertel der ge-
samten Erzeugung der Erde. Nirgends mehr als in Australien hat sich demnach das spanische
Sprichwort bewahrheitet: „Schafe haben goldene Füße, und wo sie hintreten, verwandelt sich
die Erde in Gold." Großartige und kostspielige Ivasserwerke führen den regenarmen Gegenden
das Lebenselement aller Kultur zu.
Sehr bedeutend war auch in den erwähnten Gebieten der Getreidebau. !Var auch ur-
>prünglich das westlicher gelegene Südaustralien die große Kornkammer des Kontinents, so
folgte Victoria nach dem Verlaufen der Goldflut im Ackerbau bald nach, ja überflügelte jenes
sogar noch. In Neusüdwales beginnen bereits die tropischen Kulturen: Mais, Tabak,
Zuckerrohr, Baumwolle, Kaffee, Reis u. a. Der !Vein gedeiht fast allentbalben in treff-
licher Weise.
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Australien und Ozeanien.
Jenseits der kupferreichen Bergketten, die den St. Vincent- und Spencer-Golf (5. 2\8)
umsäumen, dehnt sich das Tafelland des Westens (5. 222) aus, ein welliges, vielfach
aus Urgestein zusammengesetztes Plateau, dessen Höhe gegen Osten wächst, und das mit strecken-
weise J\00 m hohen Sandketten gegen die Küste verläuft. Das ganze Innere Austra -
liens, der östliche Teil des Tafellandes, ist ein vielfach wüstenhaftes Land mit vereinzelten
Gasen und Wasserläufen. Der sandigthonige Boden besteht aus Wüstensandstein und ist mit
Dickichten und Gebüschen von Stachelpflanzen, Lukalypten und Akazien, dem sogenannten
Strub (S. 22\), bedeckt. Zeitweilig finden sich auch dürre Wüsten (S. 22\) mit Spinifer
(S. 22\), einer steifen, stachligen Grasart, bewachsen.
Altertümlich wie das Land ist auch die Lebe welt Australiens und seiner Nachbarinsel Neu-
seeland. Als Tharakterbäume seiner Vegetation sind die Eukalypten (S. 2\ty) anzusehen,
schattenlose Bäume mit fast senkrecht gestellten, graugrünen, steifen Blättern; unter ihnen
kommen Riesenbäume vor bis zur Höhe des Kölner Doms (][50 m). Nicht minder merk-
würdig sind die blattlosen Kasuarinen und Grasbäume. Auch seine Tierwelt gehört einer längst
entschwundenen Lrdperiode an. Die Säugetiere sind nur vertreten durch das Schnabeltier
(S. 225) und Känguruh (S. 22^). Affen, Raub- und Huftiere fehlen gänzlich. Dagegen
erscheint die Vogelwelt in zahlreichen Arten, unter denen der <Lm u (S. 223) und Kiwi (S. 22^)
mit einem haarartigen Kleide, der schwarze Schwan und der weiße Adler merkwürdig sind.
Die Urbewohner (ca. 55,000, S. 225) sind der Negerrasse verwandt, jedoch stark behaart.
Sie bauen kein ständiges Obdach, sondern leben als herumstreichende Jäger in Zelten. Ihre
Waffen und Jagdgewehre sind Wurfgeschosse, vor allen Dingen der Speer. Ihre Nahrung
besteht aus den Erträgnissen der Jagd und des Fischfanges; gleichwohl sind sie nicht unbegabt,
wie aus ihrer formenreichen Sprache, ihren poetischen Versuchen, der Heilighaltung des Ligen-
tums und anderem hervorgeht.
2. Vie Ozeanischen Inseln.
Wie die Guirlanden der ostasiatischen Inselreihen das asiatische Festland umgürten, so be-
gleitet Australien von Neuseeland bis Neuguinea ein Inselbogen in mannigfacher Zerstückelung.
Der Gebirgscharakter dieser vulkanreichen Eilande, ihre pflanzen- und Tierwelt deuten darauf
hin, daß wir hier die zerbrochenen j?arallelketten der australischen Ostkordillere vor uns haben,
deren Zwischenglieder im Ozean versunken sind. Die südlichste dieser Inselgruppen, die Doppel-
insel Neuseeland, nimmt in ihrer Südhälfte den Charakter eines alpinen Hochgebirges an,
das, obgleich unter der Breite Italiens gelegen, dank der reichen Niederschlagsmengen groß-
artige Gletscherentwickelung aufweist. Der höchste Gipfel, der Mount Cook (S. 227), erreicht
^000 in. Die Nordinsel Neuseelands ist durchaus vulkanisch und reich an heißen (Quellen und
Geysern (S. 223). Der Reichtum der beiden Inseln an Gold, Kupfer und Kohlen, das milde
gleichmäßige Klima, das Viehzucht und Getreidebau reichlich lohnt, haben die Lntwickelung
der wirtschaftlichen Verhältnisse ungemein gefördert. Der Gesamtbetrag des in den Iahren
\857—89 produzierten Goldes wird auf 9^0 Millionen Mark geschätzt, der Ausfuhrwert der
Wolle erreichte im Jahre \8ty2 die Höhe von 86 Millionen Mark. Große Städte haben sich
bisher in Neuseeland nicht entwickelt, ziemlich gleichmäßig aber verteilt sich eine Reihe von
mittleren über das Land. Auf der Nordinsel liegt Auckland an der gleichnamigen Bucht
(S. 226), die bedeutendste Handelsstadt ist Dunedin (S. 229) an Südostküste, die Haupt-
stadt ist Wellington.
Über Neukaledonien, einer französischen Strafkolonie, und den Neuen Hebriden zieht der
Inselkranz hinüber zu den deutschen Schutzgebieten indersüdsee. <Ls sind dies die nörd-
lichen Salomonsinseln, der Bismarckarchipel mit den Hauptinseln Neumecklenburg und
Neupommern (S. 252), endlich Kaiser Wilhelms-Land auf Neuguinea. Alle diese Inseln
liegen in tropischem Gebiete mit heißfeuchtem Klinga und tropischer Vegetation. Die große
Fruchtbarkeit des Bodens macht das Schutzgebiet in erster Linie für den ^>lantagenbau geeig-
net, der auch mit Sorgfalt betrieben wird, vor allem Tabaksbau. Doch gedeihen hier auch
Baumwolle und Zuckerrohr, Kaffee, Reis, Mais und Bananen, die zum Teil von den Ein-
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Die atlantische Aüstenniederung. Die Alleghanies.
Südwärts von New V}ovt beginnt die flache, fruchtbare Rüstenniederung, die sich bis
Georgia bin allmählich bis auf 300 km verbreitert. Sie ist ein Produkt der anschwemmenden
Thätiakeit der Flüsse und des Meeres und endigt wie die deutsche Gstseeküste fast allenthalben
mit Nehrungen oder mit einem wall von Sanddünen, der sich nur ausnahmsweise höher als
^0—20 m erhebt. Die Flüsse des atlantischen Tieflandsaumes kommen von den Niederschlags-
reichen Alleghanies und sind kurz. Aber ihre durch Gezeiten und Wellenschlag erweiterten
Mündungstrichter gewähren auch den größten Seeschiffen bequemen Zugang, und ihre Wasser-
fülle dient der hochentwickelten Industrie zur Stütze. So erklärt es sich im verein mit der
günstigen geographischen Lage Europa gegenüber, daß an diesen Rüstenflüssen außer New
Z^ork jene vielberühmten drei Großstädte entstanden sind, die in der Geschichte Amerikas eine
so große Nolle spielen: Philadelphia, Baltimore und Washington. New ^ork zunächst liegt
Philadelphia am Delaware (^,0^.7,000 Einwohner), eine der größten Metropolen der Union,
die Hauptstadt des wald-, kohlen - und petroleumreichen pennsylvanien. In der Unabhängig-
keitserklärung ist es mit Boston vorangegangen, als Industriemittelpunkt steht es nur New
l)ork nach. An der tiefeinschneidenden Chesapeakebai folgt dann Baltimore (^3^,000 Ein-
wohner), das vor den nördlicher gelegenen ^aupthäfen die größere Nähe der Ohio- und
Mississippilandschaften voraus hat und deshalb als Ausfuhrhafen mit den vorgenannten Städten
konkurriert. Durch seine Hopkins-Universität ist es zugleich ein L^auptsitz der geistigen Rultur
Amerikas. Die südlichste der genannten Städte ist Washington, die Bundeshauptstadt der
Union, mit 230,000 Einwohnern (S. J67). Es ist im Gegensatze zu den vorgenannten Orten eine
ruhige, verkehrsarme Stadt, deren Charakter wesentlich durch die großen Regierungsbauten,
vor allen: das Rapitol mit seiner Riesenkuppel, bestimmt wird.
Die südwärts folgenden Rüstenstaaten Virginia, Nord- und Südcarolina und Georgia
zählen zu den wichtigsten Wirtschaftsgebieten der Erde. Die Baumwollenproduktion
(S. J68) ist der weitaus wichtigste Wirtschaftszweig des Südens; dieser folgt an Bedeutung
die Tabakskultur, namentlich in Virginia, Nordcarolina, der Anbau von Zuckerrohr in
Georgia und Florida, von Reis in Südcarolina und Georgia. Obst- und Weinbau ist
besonders in den nördlicheren Südstaaten von Belang.
2. Die Alleghanies.
Die eben durchwanderte Rüstenebene wird im Westen abgeschlossen durch dieallegh an ies
oder Südost-Appalachen. Sie sind ein ausgezeichnetes Faltengebirge wie der Schweizer Iura,
doch ungleich älter als dieser und verhalten sich zu den Rordilleren etwa wie der Böhmerwald
zu den Alpen. Lange ehe die Rordilleren im Westen sich erhoben, bestanden die Alleghanies
als ein hochragendes, kristallinisches Gebirge, das im Laufe der Zeiten durch fließende Ge-
wäffer, Hitze und Frost, Regen und winde zum heutigen Niveau erniedrigt wurde. Die Alle-
ghanies sind ein Rumpfgebirge wie der Böhmerwald, wie Schwarzwald und vogesen, wie
das Bergland von Wales in England, und auch ihr Landschaftscharakter zeigt verwandte
Züge. Beherrschende Gipfel, die Eigentümlichkeit jugendlicher Gebirge, fehlen, die Höhen-
formen sind abgeglichen und bis zu einem gewissen Grad einförmig. Dennoch ist das Gebirae
überreich an malerischen Szenerien. Eine Fahrt durch die Bergwelt pennsylvaniens schildert
Philipp Berges in lebhaften Farben mit folgenden Worten: „Fünf Meilen hinter Harris-
burgh erreicht der Zug die Rittatinny Mountains, die erste Rette der Alleghanygebirge, und
stille Andacht senkt sich auf das Gemüt dessen herab, der die Natur liebt. Zur Rechten des
historischen Susquehannaflusses, den der Zug auf 3670 Fuß langer Brücke quert, beginnen
zerklüftete Bergriesen in die Wolken emporzusteigen, immer größer, immer höher, drohender,
gewaltiger, bis der Zug zu einem Rinderspielzeuge zusammenzuschrumpfen scheint. Und nun
folgen, kaleidoskopartig wechselnd, die wunderbarsten Landschaftsbilder, hier ein Blick in ruhige,
idyllische Thäler, dort ein Gebirgspanorama von schauerlich wilder Großartigkeit. Der Zug
folgt dem Bette des blauen Iuniataflüßchens, das sich in vieltausendjähriger Arbeit seinen
N^eg durch die Felsenwelt gebahnt hat. Mifflin mit seinen Erinnerungen an' die blutigen In-
dianerkriege, Lewistown, in dessen Nähe der berüchtigte Mingohäuptling Logan seinen wig-
A, Geistbeck, Bilder-Atlaz zur Geographie der außereuropäischen Erdteile. H